Nachruf auf Wolfgang Clößner

*21.10.1955, † 11.03.2015

„Der Wolfgang ist tot.“ Dieser Telefonanruf spät in der Nacht traf völlig unerwartet ein. Er bedeutete, dass ein bester Freund, guter Mensch und jahrzehntelanger Weggefährte von uns gegangen war. Wie jeder Mensch mit Schwächen und Fehlern, aber vielschichtig und weltoffen, mit hohem Engagement für Eisenbahn und Fotografie, ruhig und humorvoll, mit klugen bis hin zu spitzen Worten seine Umwelt kommentierend. Großzügig gab er sein Wissen und seine Fähigkeiten an Interessierte weiter, Alter und Herkunft spielten keine Rolle, nur diejenigen ablehnend, die sich keine Mühe mit ihrem Hobby gaben und unbedarft vor sich hin lebten.

Wolfgang Clößner

Sein Interesse an der Eisenbahn wurde durch seinen Vater geweckt, der viel über eine kleine Bahn und deren Dampfloks erzählte, mit der die Familie nach dem Krieg „hamstern“ fuhr. Diese Bahn war nicht weit weg vom Wohnort, mit dem Fahrrad und Papas Kamera fuhr der zwölfjährige Wolfgang zum Hennefer Lokschuppen der schmalspurigen Rhein-Sieg Eisenbahn und fand dort nur eine Dampflok vor: Lok 53 RSE, von der er sein erstes Lokfoto schoss. Von nun an der Eisenbahn allgemein und der Lok 53 im Besonderen verfallen, fing er an weitere Lokomotiven zu fotografieren. Ende der sechziger Jahre war ja noch viel Dampf unterwegs.

Erwachsen geworden, folgten Reisen in das europäische Ausland, immer mit Kamera und Blick auf den Dampf, und wenn eine Schmalspurbahn mit dabei war – umso besser! Mit den heimatvertriebenen Eltern reiste er bald nach Polen und fand ein faszinierendes Land vor, das er immer wieder gerne besuchte. Bei seinen Bildern beschränkte er sich nicht auf die üblichen „schräg von vorn / Sonne im Rücken“-Motive, sein Blick war geschärft auf Details der Bahn, auf Personal und Reisende, auf Lichtstimmungen und das Umfeld. Es entstanden Bilder, die den Betrachter fesselten. Eines seiner Lieblingsmetiers waren Nachtaufnahmen mit ihrem Spiel aus Licht und Dunkelheit. War das Licht an der falschen Stelle, halfen Wanderblitze aus: Kamera auf Stativ, auslösen auf „B“, und dann Blitze aus verschiedenen Positionen abfeuern. Das ging nur mit stehenden Fahrzeugen. Inspiriert durch den amerikanischen Fotografen Winston Link wurden die Nachtaktionen auf fahrende Züge ausgeweitet. Bis zu fünf leistungsstarke Blitze auf Stativen verteilt, im richtigen Augenblick ausgelöst – die Ergebnisse waren umwerfend.

Dann kam jener schicksalhafte Buß- und Bettag 1987, als er auf der 043 681-6 im ehemaligen Bw Rheine einen Starkstromüberschlag aus der Oberleitung erlitt. Wunderbarerweise hat er dies überlebt, wenn auch schwer verletzt. Ein Bein musste amputiert werden, er wurde über Wochen im künstlichen Koma gehalten, es folgte eine lange Rehaphase. Noch während seines Aufenthalts in der Duisburger Unfallklinik unternahm er mit Hilfe von Freunden erste Fototouren in die nähere Umgebung. Seine Leidenschaft für die Bahn war stärker als alles andere. „Eine Leidenschaft, die Leiden schafft“ war einer seiner Denksprüche.

Während seiner Genesung fragte er sich, wie seine Zukunft aussehen würde. Sich hängen lassen war nicht sein Ding, er wollte das Leben genießen, so gut es jetzt noch möglich war. Eine Reise nach Paraguay sollte es sein, dort war er kurz vor seinem Unfall gewesen, dort wollte er wieder hin. Die Verhältnisse vor Ort kannte er ja, es war auch im Rollstuhl möglich. Es folgten viele weitere Fernreisen nach Südafrika, Zimbabwe, Indien, Kuba und zuletzt nach China, immer mit Ziel Dampflok und Schmalspurbahn, am besten beides vereint. Dazwischen flammte die alte Liebe für Polen wieder auf, direkt nach Grenzöffnung erfolgte die erste Tour dorthin, gefolgt von Dutzenden weiterer Fahrten. Auch die meisten Länder Osteuropas wurden bereist. Sein besonderer Blick auf die Bahn aus etwas anderer Perspektive mit gekonnt in Szene gesetzten Motiven machten ihn zu einem begehrten Fotografen der Eisenbahnverlage. Dazu kam sein lebendiger, abwechslungsreicher Schreibstil, der ihn von der Masse der Technokraten abhob.

Gegen Ende der neunziger Jahre tauchte im Internet die Meldung auf „Lok 53 RSE steht zum Verkauf“. Das rief Wolfgang auf den Plan, nach kurzen Verhandlungen mit der DGEG war der Kauf perfekt, ein Kindheitstraum wurde wahr. In Asbach/Westerwald gab es wunderbarerweise ein komplett erhaltenes Bahnhofsareal der RSE, wenn auch ohne Gleise und durch Fremdnutzung etwas heruntergekommen. Man wurde sich einig, die Gemeinde stellte das Gelände zur Verfügung, Wolfgang seine Lok. Er ließ sie mit hohem Aufwand auf eigene Kosten rollfähig aufarbeiten, eine Konservierung für Jahrzehnte. Im Oktober 2000 erreichte die Maschine ihre neue, alte Heimat, über 40 Jahre nach ihrem letzten Besuch dort. Im prächtig renovierten Lokschuppen stand sie nun, aber das war Wolfgang zu wenig. Mit Elan organisierte er den Ausbau der Gleise, um dem Publikum die Lok auch außerhalb des Schuppens zeigen zu können. Aus Polen kamen zwei Güterwagen hinzu, aus Österreich ein Rollwagen. Fahrzeuge, die auch die RSE in sehr ähnlicher Form besessen hatte.

Die Gemeinde engagierte sich weiter, das Bahnhofsgebäude wurde erworben und beeindruckend wiederhergestellt. Die gesamte Museumsanlage war zu einem Schmuckstück geworden. Wolfgang brach seine Zelte in Bonn ab und zog in den Bahnhof ein, in „sein“ Museum. Nahezu gleichzeitig erwarb er mit der V13 eine der großen Dieselloks der RSE, die wohl sonst im Schrott gelandet wäre. Es war die glücklichste Zeit seines Lebens, er hatte enorm viel angestoßen und bewirkt, mit viel Energie seinen Lebenstraum wahr gemacht, ein weiterer Ausbau der Gleise war fest geplant. Doch das Schicksal wollte es anders, ein Herzinfarkt riss ihn mitten aus dem Leben, mit nur 59 Jahren. Es war ihm nicht mehr vergönnt, die Inbetriebnahme der Mallet 11sm bei der nahen Brohltalbahn zu erleben, ein Ereignis, auf das er sich besonders gefreut hatte. Seinen sechzigsten Geburtstag wollte er mit Freunden in einem Sonderzug hinter dieser Lok feiern, großzügig wie immer und mit Dampf auf schmaler Spur.

Möge sein Lebenswerk als positives Beispiel für zukünftige Eisenbahnfreunde in den nachfolgenden Generationen dienen, dass man auch nach einem schweren Schicksalsschlag trotz Behinderung Großartiges schaffen kann. Nie den Mut zu verlieren und aus der Situation das Beste herauszuholen.

Wolfgang,
Du hinterlässt eine Lücke,
die niemand schließen kann,
aber Dein Werk lebt weiter!

Die Redaktion und Vereinsmitglieder von Fern-Express

2 Kommentare

  1. Pingback:fern-express :: Heft II/2015 :: Frankreich und Nachrichten

  2. Hatte nie die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen, aber viel von ihm gelesen und sehr schöne Bilder gesehen.
    Sein Werk lebt weiter!
    Beste Grüße, Matthias

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